Reden von Rena Farquhar zu den Elternentgelten bzw. der allgemeinen finanziellen Lage Esslingens

Rena Farquhar
Rena Farquhar

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

sehr geehrte Herren Bürgermeister,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

 

zuerst einmal möchte ich an dieser Stelle der Verwaltung für die professionelle Durchführung des Arbeitskreises „Elternentgelte“ danken.

Das Thema ist insgesamt schwierig und bedeutet ein ernstgemeintes und aufrichtiges Abwägen aller Interessen, ein zeitintensives Aufarbeiten und einen konstruktiven Dialog.

Vielen Dank an Sie Herr Berroth und Sie Herr Erbil.

 

 

Meine Damen und Herren,

Sie haben es zuvor gehört, die finanzielle Situation in Esslingen ist verheerend.

Das trifft nicht nur die Stadt Esslingen, sondern viele Kommunen landesweit.

Steigende Energiepreise, steigende Baukosten, hohe Tarifabschlüsse, tiefgreifende Coronanachwirkungen bei den Gewerbesteuern. Und immer wieder Gesetze auf Bundesebene, die die Kommunen belasten.

 

Es sieht aktuell nicht gut aus.

 

Persönliche Prognose: es wird noch schlimmer,

wir werden durch den Krieg zwischen Russland und der Ukraine und der schon seit Jahren laufenden strukturellen Veränderung der Wirtschaft

(Stichwort: energieintensive Betriebe, Neckartal und Verbrennungsmotor, erste Anzeichen einer Deindustrialisierung)

noch mehr gezwungen sein, zu sparen.

 

Fakt ist, die rosigen Zeiten sind vorbei und da möchte ich gerne die Landesvorsitzende der Grünen, Frau Schwelling, zitieren, die davon spricht, dass unsere Standards überprüft werden müssen.

Wir müssen sparen – in allen Bereichen – nachhaltig und strukturell – konsolidieren.

 

Nicht wie 2016/ 2017.

Dieses Mal geht es ans Eingemachte.

 

Alle städtischen Bereiche müssen entsprechende Beiträge leisten:

Kunst und Kultur

Verwaltung an sich

Mobilität etc.

 

Aber eben auch der Bereich Bildung.

So werden wir nicht mehr das ultimativ beste Schulhaus bauen können, sondern das objektiv gesehen, erforderliche.

 

Der Bereich der Kinderbetreuung weist nach der Elternentgelterhöhung immer noch einen Fehlbetrag von 42 Millionen Euro auf. Das ist ein Deckungsgrad von gerade einmal 11,2 Prozent.

 

Daran sieht man, dass nicht die anderen Haushaltslöcher mit den Erhöhungen gestopft werden sollen,

sondern es ist genau das Gegenteil der Fall:

die Betreuung der Kinder ist der Stadt Esslingen ist uns jährlich 42 Millionen Euro wert.

 

Nur noch einmal zur Verdeutlichung:

ein Platz in U3 in Esslingen kostet rd. 22.000 Euro,

ein Platz in Ü3 12.000 Euro.

Das ist nur das Gehalt der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Kosten für Gebäude etc. sind noch nicht enthalten.

 

Meine Damen und Herren,

wir wissen, dass Gebührenerhöhungen keine Begeisterung auslöst.

Die Finanzen der Stadt lassen aber keinen anderen Weg zu.

 

Was wir aber auf jeden Fall zusagen, die Qualität in der frühkindlichen Bildung ist uns wichtig. Wir werden daher die Entwicklungen in diesem Bereich beobachten und weiter dafür sorgen, dass die Qualität entsprechend hochwertig ist.

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Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

sehr geehrter Herr Erster Bürgermeister,

sehr geehrte Herren Bürgermeister,

 

liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

seien Sie mutig!

Diesen Appell nehmen wir gerne auf - Herr Bürgermeister Rust - und möchten auf drei Punkte kurz eingehen:  

 

  1. Aufgabenkritik, heißt Kritik an den Aufgaben

Eine ehrliche Aufgabenkritik überprüft alle bisher von der Verwaltung wahrgenommenen Aufgaben unter den Gesichtspunkten,

  • Muss die Aufgabe überhaupt, teilweise oder nicht wahrgenommen werden – handelt es sich also um eine Pflichtaufgabe oder um eine Freiwilligkeitsleistung -
  • Und ist die Art und Weise der Wahrnehmung wirtschaftlich und sachgerecht.

Dabei bedürfen Freiwilligkeitsleistungen unter diesen Gesichtspunkten einer besonderen Rechtfertigung.

Dieser Erklärungsdruck kann unserer Ansicht nach nicht damit beseitigt werden, indem man Fakten schafft. Zum Beispiel durch Wiederbesetzung von Stellen oder durch den Beschluss von Konzepten. Nichts ist in Stein gemeißelt.  

Wir werden uns also im Rahmen der weiteren Gespräche über jede einzelne Freiwilligkeitsleistung unterhalten müssen.

Und damit komme ich zum zweiten Punkt:

 

  1. Haushaltskonsolidierung kann nur funktionieren ohne Denkverbote

Wer sich ideologisch einmauert, verlässt den Boden der gemeinsamen Vereinbarung zu Beginn des AK Aufgabenkritik. Wir haben uns gemeinsam vorgenommen, einen Weg zu finden. Wir wollen alle nicht, dass das Regierungspräsidium uns fremdbestimmt. Ich kann Ihnen zusagen, die FDP ist bereit über alles zu reden. Wir erwarten das aber auch von allen anderen. Tabuthemen

 

Lassen Sie mich zum letzten Punkt kommen.    

 

 

3. Wir müssen uns ehrlich machen

Die finanzielle Situation ist nicht nur auf den Krieg in der Ukraine oder auf die Corona-Pandemie zurückzuführen. Sondern, Herr BM Rust hat es im Kern bereits gesagt:

Diese Situation ist auch bedingt durch eine Politik, die im Kern weniger Wohlstand bedeutet, die Verzicht zu einer Tugend erklärt und den Weg in Richtung Suffizienzwirtschaft weist.

 

Die Abkehr vom Verbrennungsmotor als Beispiel – das muss jedem klar sein – bedeutet ein Verlust an Arbeitsplätzen und damit ganz konkret ein Verlust an Steuern und sozialer Sicherung.

Die E-Mobilität schafft zwar neue Arbeitsplätze - schon klar - aber leider nicht in dem Maß, wie insgesamt verloren gehen.

Und auch der Anstieg der Energiepreise wird dazu führen, dass energieintensive Betriebe nicht mehr in unserer Region produzieren, sondern im Ausland. Auch das kostet Arbeitsplätze.

Öffentlich wird bereits über einer Deindustralisierung in Deutschland diskutiert.

Wer also aus der Industrialisierung Deutschlands aussteigen möchte, muss sich auch zu den Konsequenzen bekennen.

Diese Konsequenzen bedeuten für uns in Esslingen ganz konkret, dass wir uns von Liebgewonnenem verabschieden müssen.  

Das ist jetzt unsere Aufgabe!